Knieproblem
Knorpeltherapie
Ein Knorpelschaden im Kniegelenk kann erhebliche Beschwerden verursachen und unbehandelt zu einer fortschreitenden Verschlechterung der Gelenkfunktion bis hin zum Gelenkverschleiß, der sogenannten Gonarthrose, führen. Da Knorpelschäden kaum intrinsisches Heilungspotential aufweisen, kommt es nach einem Schaden häufig zu anhaltenden Problemen.
Knochenmarkstimulation (BMS)
Das älteste Verfahren ist die sogenannte Knochenmarkstimulation (engl. bone marrow stimulation). Der Knorpelschaden wird hierbei gereinigt und geschädigtes Knorpelgewebe entfernt. Anschließend werden mit Ahlen oder einem Bohrer kleine Kanäle in den darunterliegenden Knochen angelegt. Die so erzeugten Knochenblutungen führen zur Bildung eines Blutgerinnsels. Die darin enthaltenen Zellen bilden in den folgenden Monaten eine Art Knorpelregeneratgewebe, die sogenannte Faserknorpelnarbe.
Diese ist in ihrer Gewebequalität zwar nicht mit gesundem Gelenkknorpel gleichzusetzen, füllt den Schaden aber vollständig aus und besitzt eine gewisse Druckelastizität, was eine alltagsübliche Belastung des Gelenkes ermöglichen kann.
Für die Knochenmarkstimulation stehen verschiedene Techniken, wie die Mikro- oder Nanofrakturierung sowie die Anbohrung (<1mm) zur Verfügung.
Vorteile
- Alle genannten Verfahren sind einzeitig, meist im Rahmen einer Arthroskopie, durchführbar und benötigen keine spezielle Zulassung.
- Die Ergebnisse für Defekte < 1 cm2 sind sehr gut innerhalb der ersten 2 Jahre nach Operation.
Nachteile
- Besonders für größere Schäden (> 1 cm2) zeigt sich im Verlauf eine deutliche Abnahme der Ergebnisqualität 5 Jahre nach Operation, weshalb das Verfahren heute fast ausschließlich für sehr kleine, zufällig entdeckte Defekte zum Einsatz kommt.
- Im Verlauf kann es zur Bildung von Zysten und/oder knöchernen Erhebungen im Defektbereich kommen, was dann ggf. eine operative Revision erforderlich macht.
Matrixgestützte Knochenmarkstimulation (m-BMS)
Um die genannten Einschränkungen der Knochenmarkstimulation zu umgehen und die Ergebnisqualität vor allem langfristig zu verbessern, wurden die beschriebenen Techniken schon sehr früh durch den Einsatz von funktionellen Biomaterialien ergänzt. Hierbei handelt es sich in der Regel um Matrices aus bioaktiven Substanzen wie Kollagen, Hyaluron oder anderen körpereigenen Bausteinen. Die Matrices dienen als Zellfänger, vergleichbar mit einem Schwamm, und sorgen dafür, dass die aus dem Knochenmark freigesetzten Zellen an Ort und Stelle bleiben und so eine zielgerichtete Faserknorpelbildung erfolgen kann. Gemeinsam ist allen Biomaterialien, dass sie den Zellaufbau für das neue Gewebe fördern, es zeitweise stabilisieren und sich selbst als Nährstoff für die neue Knorpelmatrix vollständig abbauen.
Die Vorbereitung des Knorpelschadens erfolgt in der Regel genauso wie für die Knochenmarkstimulation. Allerdings werden nach Präparation des Schadens die Matrices, je nach Konsistenz, eingelegt (Membran) oder eingespritzt (Gel). Das Anhaften der Matrices erfolgt entweder durch Verkleben mit dem austretenden Blut oder durch den Einsatz von Fibrin, einem körpereigenen Bindemittel, welches als Gewebekleber eingesetzt werden kann. Im Gegensatz zur alleinigen Knochenmarkstimulation werden so bereits zum Ende des Eingriffs stabilere Verhältnisse mit einer guten, vorläufigen Defektfüllung erreicht.
Vorteile
- Es handelt sich, wie bei der BMS, um ein einzeitiges Verfahren, welches je nach Lage des Schadens arthroskopisch oder offen durchzuführen ist.
- Die m-BMS zeigt im Vergleich zur alleinigen BMS im zeitlichen Verlauf deutliche bessere Ergebnisse bei Defekten > 2 cm2 und ähnlich gute Ergebnisse bei mittelgroßen Defekten bis zu 4 cm2 im Vergleich zur matrixgestützten Knorpelzelltransplantation (m-ACT).
- Die Langzeitergebnisse für die m-BMS sind deutlich besser und das resultierende Regeneratgewebe langlebiger als bei der BMS.
Nachteile
- Auch wenn durch den Einsatz einer Matrix deutlich größere Defekte nachhaltig versorgt werden können, zeigt sich ein ähnliches Komplikationsprofil wie für die alleinige BMS mit gelegentlicher Bildung von Zysten und/oder knöchernen Erhebungen im Defektbereich, auch wenn das Auftreten deutlich seltener zu sein scheint.
- Bei großen Defekten muss eine Abwägung zwischen m-BMS und matrixgestützter Knorpelzelltransplantation (m-ACT) getroffen werden, da die Ergebnisse für letztere nach einer m-BMS schlechter sein können im Fall einer erforderlichen Revision.
Osteochondrale Transplantation (OCT)
Im Rahmen einer Arthroskopie oder einer offenen Operation wird der Knorpelschaden zunächst vorbereitet und mit einer speziellen Hohlfräse ausgestanzt, sodass rundum eine glatt-berandete Knorpelschultern entstehen. Nun werden aus einem unbelasteten Areal des Kniegelenkes, meist seitlich der Kniescheibengleitrinne oder an der hinteren Oberschenkelrolle Knorpel-Knochenzylinder (osteochondrale Zylinder) entnommen.
Der zuvor ausgestanzte Knorpelschaden kann nun entweder 1:1 in sogenannter press-fit Technik mit einem Knorpel-Knochenzylinder gefüllt werden oder es werden mehrere kleinere solcher Zylinder als sogenannte Mosaikplastik eingebracht – je nach Größe des Ausgangsschadens.
Vorteile
- Die OCT ist ein einzeitiges Verfahren.
- Aufgrund der knöchernen Einheilung der Zylinder führt das Verfahren zu einer schnelleren Rehabilitation als andere knorpelregenerative Verfahren.
- Im Langzeitverlauf zeigt die OCT bei Versorgung mit maximal zwei Zylindern sehr gute Ergebnisse und ist hier zusammen mit der m-ACT das effektivste Verfahren.
- Bei Vorliegen osteochondraler Schäden, also im Falle von knöchernen Mitverletzungen wie bei der Osteochondrosis dissecans (OCD), ist die OCT durch ihren knöchernen Anteil ein sehr gut geeignetes Therapieverfahren.
Nachteile
- Die OCT ist eine anspruchsvolle Technik, die seitens des Chirurgen große Erfahrung voraussetzt. Die Zylinder müssen genau auf Knochen- bzw. Knorpelniveau eingebracht werden, sollen nicht überstehen, aber auch nicht zu weit eingesunken sein, was bei der Entnahme bereits berücksichtigt werden muss.
- Die OCT sollte aufgrund der begrenzten Entnahmemöglichkeiten auf Defekte bis zu 1,5 cm2 mit maximal zwei Zylindern beschränkt bleiben.
Matrixgestützte autologe Chondrozytentransplantation (m-ACT)
Bemühungen der Regenerativen Medizin und des Tissue Engineering, der Gewebezüchtung, führten in den 1990er Jahren zur Entwicklung der autologen, also körpereigenen, Knorpelzelltransplantation. Brittberg und Kollegen war die ersten, die über den klinischen Einsatz dieses Verfahrens berichteten. Seitdem hat sich die Methode über verschiedene Teilschritte hin zur heutigen matrixgestützten autologen Chondrozytentransplantation (m-ACT) weiterentwickelt. Seit Mitte der 2000er Jahre wird das Verfahren der m-ACT in Deutschland vermehrt angewandt, weshalb hierzulande eine sehr lange und breite Expertise besteht. Da für die Zulassung nach Arzneimittel- (AMG) und Transplantationsgesetzt (TPG) einige Anforderungen durch den Chirurgen und die Einrichtung erfüllt werden müssen, wird diese Methode in der Regel nur durch spezialisierte Zentren angeboten. In anderen Ländern, etwa den USA, steht das Verfahren erst seit wenigen Jahren zur Verfügung, weshalb ein Großteil der klinischen Daten zur m-ACT auch aus Deutschland stammt.
Bei der m-ACT handelt es sich um ein zweizeitiges Verfahren, d.h. es sind zwei, meist arthroskopische Eingriffe notwendig, um den Knorpelschaden versorgen zu können. In der ersten Operation, einer Arthroskopie, werden mittels einer Stanze mehrere Knorpel-Knochenzylinder im unbelasteten Teil des Gelenkes entnommen. Diese werden in einer speziellen Nährlösung an die Firma geschickt, welche die Aufbereitung und Anzüchtung der Knorpelzellen vornimmt. Nach einem Zeitraum von 4-6 Wochen kann die zweite Operation stattfinden, in der die körpereigenen Knorpelzellen auf einer Trägermatrix (Festes bzw. flüssiges Hydrogel oder Sphäroide) in den zuvor präparierten Knorpelschaden transplantiert werden. Je nach Lage und Ausmaß des Schadens kann dieser Eingriff arthroskopisch oder offen durchgeführt werden. Die Wahl der Trägermatrix bestimmt zudem die weiteren operativen Schritte.
Vorteile
- Die m-ACT ist auch bei großen Knorpelschäden bis zu 10 cm2 aktuell der Goldstandard von operativen Knorpeltherapie.
- Es handelt sich um das am besten und intensivsten untersuchte Verfahren, was die Art und Qualität der wissenschaftlichen Daten anbelangt.
- Es ist im Langzeitverlauf kosteneffektiv
- Das Verfahren weist nach 15 Jahren mit 80–90 % guten bis sehr guten Ergebnissen die beste Langzeitprognose aller Methoden auf.
- Nach statistischen Schätzungen kann eine rechtzeitige Versorgung entsprechender Knorpelschäden bis zu einem Drittel der im Laufe des Lebens notwendigen Knieprothesen infolge einer sekundären Gonarthrose vermeiden.
Nachteile
- Es handelt sich um das einzige zweizeitige Verfahren mit zwei in kurzem Abstand aufeinander folgenden Operationen.
- Es ist zwingend erforderlich, dass der Chirurg und die Einrichtung eine entsprechende Zulassung der zuständigen Landesbehörde erhalten und diese regelmäßig erneuern.
Minced Cartilage (MC)
Das Minced Cartilage (MC) Verfahren ist ein einzeitige Knorpeltherapie, indem körpereigener Knorpel verwendet wird um Knorpelschäden zu behandeln.
Wie bei allen anderen Verfahren wird der Knorpelschaden zunächst gereinigt, der so gewonnene Knorpel jedoch nicht verworfen, sondern kleingehackt (engl. mincing) und später mittels Eigenblut (Fibrin) wieder in den Defekt eingebracht.
Das Kleinhacken kann auf verschiedene Arten und Weisen erfolgen, ob mit dem Shaver (arthroskopische Technik) oder händisch mit dem Skalpel (offene Technik). Wichtig ist, eine pastöse Masse zu erhalten, die je nach angewandter Transplantationstechnik gut weiterverarbeitet werden kann. Zusätzlich zur Fixation mittels Fibrin kann der behandelte Schaden optional noch mit einer Matrix abgedeckt werden.
Vorteile
- Da es sich um ein einzeitiges, meist arthroskopisch durchgeführtes Verfahren handelt, welches zur Bildung von gelenkknorpelähnlichem Ersatzgewebe ohne vorherige Zellkultivierung fähig ist, wird im Gegensatz zur m-ACT eine zusätzliche Operation gespart.
- Erste klinische Studien zeigen, bei richtiger Indikationsstellung, zufriedenstellende Ergebnisse.
Nachteile
- Da das Verfahren in der Praxis noch sehr jung ist, fehlen bisher aussagekräftige Langzeitergebnisse aus klinischen Studien.
- Auch wenn die ersten Daten erfolgversprechend sind, wurden bereits erste Komplikationen – zumeist nach unsachgemäßer Anwendung – beschrieben. So können infolge von MC, ähnlich wie nach BMS, Verknöcherungen im Defektareal entstehen, wenn bei der Präparation der Knochen bzw. die sogenannte Grenzlamelle verletzt wird.
- Es wurden Fälle beschrieben, in denen sich lediglich eine fibröse Narbe und kein höherwertiges Knorpelersatzgewebe gebildet hat, was mit der fehlenden Regenerationspotenz der Knorpelzellen begründet wird.
- Eine genaue Größenbegrenzung für den Einsatz mit MC ist noch nicht bekannt, jedoch limitiert sich die Defektgröße allein dadurch, dass genügend vitaler Knorpel für eine ausreichende Füllung gewonnen werden muss.
- Aus diesen Gründen stuft die AG Klinische Geweberegeneration der DGOU die MC derzeit noch als sogenanntes Potentialverfahren ein.